Schaf­kopf — Eine Liebe

Ich drück­te noch als Unter­stuf­ler die Schul­bank, als ich zum ers­ten Mal mit jenem Spiel kon­fron­tiert wur­de, das aus mei­nem Leben nicht mehr weg zu den­ken ist. Vier gestan­de­ne Män­ner aus der Kol­leg­stu­fe kamen in die Men­sa, setz­ten sich an den Nach­bar­tisch, pack­ten ein Kar­ten­deck aus, das ich zuvor noch nie gese­hen hat­te, und fin­gen an, reih­um die Kar­ten wuch­tig in die Mit­te des Tisches zu schmeißen.
Sie hat­ten viel Spaß bei dem, was sie taten. Sie lach­ten und beäu­mel­ten sich, johl­ten laut auf, wenn jemand eine “Spritzn” abgab. Neu­gie­rig blick­te ich von mei­nem Tisch zu den eif­rig Spie­len­den her­über und frag­te mich, wäh­rend ich mei­ne Spa­ghet­ti in mich hin­ein­schlürf­te: “Was zum Hen­ker ist denn eine ‘Spritzn’? Und wel­ches aben­teu­er­li­che Kar­ten­spiel spie­len die­se Zocker­freun­de da?”
Von mei­nem Platz aus ver­such­te ich, den Ver­lauf die­ses geheim­nis­vol­len Spiels nach­zu­voll­zie­hen. Der Geber wech­sel­te von Spiel zu Spiel, sodass ein­mal pro Run­de jeder Spie­ler die Ehre hat­te, Geber sein zu dür­fen. Der, der links vom Geber saß, bekam die ers­ten vier Kar­ten, dann erhiel­ten auch die ande­ren im Uhr­zei­ger­sinn ihre Kar­ten, bis jeder am Schluss mit acht Kar­ten am Tisch saß.
Dann frag­ten sie unter­ein­an­der: “Wer möch­te spie­len?” Der lin­ke Nach­bar des Gebers sag­te: “Weiter!“ Das­sel­be sag­te der nächs­te und der über­nächs­te schüt­tel­te nur den Kopf und frag­te nach, ob ein “Bet­tel” erlaubt sei. Sei­ne Mit­spie­ler schüt­tel­ten den Kopf und erwi­der­ten: “Bet­tel spie­len wir hier nicht!” Mit­ten in die dis­ku­tie­ren­de Run­de hin­ein schrie der vier­te Spie­ler auf ein­mal: “Spü­lung!”
Ver­blüfft hock­te ich da: “Spü­lung? Was soll denn das hei­ßen? Sind wir hier etwa auf dem Män­ner­klo?” Die drei ande­ren Spie­ler frag­ten: “Ja, was hät­test du denn für ein Spiel?” Dar­auf ant­wor­te­te der, der gera­de unüber­hör­bar “Spü­lung” geru­fen hat­te: “Ich spie­le ‘auf die Bums’!”
Jetzt war ich völ­lig rat­los. Da war einer, der “auf die Bums” spiel­te und kurz zuvor “Spü­lung” rief. “Per­ver­ser!” — dach­te ich mir, lach­te in mich hin­ein und beschloss, mich zu den Zocken­den zu gesel­len, um alles von die­sem inter­es­san­ten Spiel, das sie da spiel­ten, in Erfah­rung zu bringen.
“Schaf­kopf” hieß das Spiel, dem sie sich hin­ga­ben. Sie klär­ten mich auf, was es bedeu­tet, wenn jemand “Spü­lung” sagt oder “auf die Bums” spielt. Die soge­nann­te Bums ist näm­lich nichts ande­res als die Bezeich­nung für die Schel­len Sau. “Spü­lung” sagen man­che scherz­haft, wenn sie spie­len möch­ten, d. h. wenn sie ein Sau­spiel oder ein Solo auf der Hand haben.
Ich guck­te den Schaf­kop­fern über die Schul­tern und immer, wenn ich eine Fra­ge zu einem irgend­wie abstrus anmu­ten­den Aus­druck hat­te, erklär­ten sie mir des­sen Bedeu­tung. So weck­ten sie in mir die Freu­de am Schaf­kopf-Spie­len, von der ich bis heu­te abso­lut nichts ver­lo­ren habe.
Heu­te sehe ich es als mei­ne Auf­ga­be an, die­je­ni­gen, die Schaf­kopf ler­nen möch­ten, lang­sam, aber sicher an das bay­ri­sche Kult­spiel her­an­zu­füh­ren. Ich wer­de ver­su­chen, die wich­tigs­ten Begriff­lich­kei­ten aus der Welt des Schaf­kopf­ens suk­zes­si­ve zu erläu­tern. Ter­mi­ne für aktu­el­le Schaf­kopf-Tur­nie­re wer­de ich, soweit mög­lich, ankün­di­gen. Kurz: Ich wer­de auf die­sem Blog alles Mög­li­che über das baye­ri­sche Kar­ten­spiel schrei­ben, was mir dazu nur ein­fal­len wird! Ich hof­fe, mei­ne Leser wer­den es mir mit vie­len Kom­men­ta­ren dan­ken, und wün­sche jedem viel Freu­de mit die­sem Blog!